Wenke Seemann

Archivdialoge #3 – Wohlstandsversprechen
  • Archivdialoge #3 – Wohlstandsversprechen. Konzentration durch Kooperation, »Für die immer weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensstandards der gesamten Bevölkerung.«, 1:1-Schema Mastschweinestall mit Vollspaltboden für 12 Tiere à 70–120 kg, Digitaldruck, 224 x 409 cm, 2 Mülltonnen, Gummilitze
  • Ohne Titel, aus: Handapparat, Mixed-Media auf 7 Hängeregistermappen
  • Große Wende. Frohe Zukunft, unter Verwendung von Fotografien Anton Stettners aus dem Jahr 1987, 100 Tintenstrahldrucke hinter bedrucktem Acrylglas, je 14,8 x 21 cm

Die in Berlin lebende Soziologin und Künstlerin Wenke Seemann erlebte die DDR als Kind und thematisiert dies in einem künstlerischen Langzeitprojekt unter dem Titel Archivdialoge. Die für ocular witness: SCHWEINEBEWUSSTSEIN entwickelte dreiteilige Arbeit ordnet sich hier ein. Seemann kann dankenswerterweise auf das Archiv des Landwirts Anton Stettner zurückgreifen. 1987 war er im Alter von 21 Jahren einer der ersten fünf bundesdeutschen Teilnehmenden eines landwirtschaftlichen Praktikantenaustauschs zwischen der BRD und der DDR gewesen.¹ Sein umfangreiches Diaarchiv war mit Blick auf zukünftige Vorträge und Praktikumsberichte in seiner Heimat entstanden. Wenke Seemann wählt Aufnahmen von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Sie überblendet diese mit den Namen Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG). Angesichts der Abwanderung von Arbeitskräften in die Industrie sollten die nach sowjetischem Muster unter Ausübung von Druck auf Eigentümerinnen und Eigentümer von Acker und Vieh gegründeten LPGs die Lebensmittelversorgung über großflächige Bewirtschaftung und Konzentration der Tierhaltung sichern. Namen wie »Frohe Zukunft« oder »Frischer Mut« bezeugen die Entschlossenheit, den Erfahrungen der Vergangenheit eine hoffnungsvolle Zukunftsvision entgegenzusetzen.

Beigestellt ist dem eine aus zwei sogenannten Specki-Tonnen bestehende Installation. Angelehnt an die nationalsozialistische Vorkriegswirtschaft wurden in ihnen Reste der in der DDR hoch subventionierten Lebensmittel als Schweinefutter gesammelt. Ein um die Tonnen geschlungenes Gummiband verweist auf die Ebene von Kinderspielen und Kindheitserinnerungen. Die der DDR-Landwirtschaft zugrundeliegende planwirtschaftlich wachstumsorientierte Handlungsmotivation schreibt sich wortwörtlich in eine Text-Grafik ein, die das Format des den Schweinen in konventioneller Haltung zugestandenen Lebensraums und dessen Gittergrund aufnimmt

¹ Hans-Jürgen Schulze-Eggert und Walter Sperlich, »Wohl den wenigsten bekannt: Der Austausch landwirtschaftlicher Praktikanten zwischen der BRD und der DDR«, in: Der goldene Pflug. Agrarhistorische Zeitschrift für Freunde des Deutschen Landwirtschaftsmuseums 19/2004, S. 36–40.

Biografie

*1978, Rostock; lebt in Berlin

• 1997–2005 Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften an der Universität Rostock und Humboldt-Universität zu Berlin • 2010 Ausbildung Künstlerische Fotografie bei imago Fotokunst, Berlin

A 2023 Revolutionary Romances, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Musterstadt Ost, EMOP, Meinblau Projektraum, Berlin • 2022 Utopie auf Platte, Kunsthalle Rostock (solo); Worin unsere Stärke besteht. 50 Künstlerinnen aus der DDR, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin • 2018 Transformare. Religionen in der Stadt, Guardini Galerie, Berlin; Next Image. The Past of the Future, Daegu Photo Biennale, Daegu; In between. TraumWelten. Von Träumen und Leben, Kunsthalle Talstraße, Halle